Digitale Sterbebegleitung in Zeiten der Corona-Pandemie: „Niemand soll alleine sterben“

Digitale Sterbebegleitung in Zeiten der Corona-Pandemie:  „Niemand soll alleine sterben“

Sparkassen im Land statten Hospize mit Tablets und W-Lan-Hotspots im Wert von über 26.000 Euro aus – Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg unterstützt das „auxilium Hospiz“ in Geesthacht mit zehn speziellen Tablets vor Ort

Geesthacht, 10. Dezember 2020:  Mit dem im Frühjahr gestarteten und bereits durch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP) ausgezeichneten Projekt bietet der Hospiz- und Palliativverband Schleswig-Holstein e.V. (HPVSH) eine Perspektive in einer nie dagewesenen Ausnahmesituation – inzwischen sind fast 300 Tablets im Einsatz und der Unterstützerkreis wächst stetig weiter. So statten die regionalen Sparkassen im Land über den Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein (SGVSH) die stationären Hospize mit insgesamt 52 Tablets und 16 W-Lan-Hotspots aus, um Sterbebegleitung auch auf digitalem Wege möglich zu machen. Dazu gibt es auch Halterungen zur eigenständigen Nutzung der Geräte und entsprechende Verlängerungskabel zur Stromversorgung.

 Aus der absoluten Not heraus, als im Frühjahr niemand mehr die Kliniken, Hospizeinrichtungen und Pflegeheime im Land betreten durfte – auch die nächsten Angehörigen nicht – entwickelte der HPVSH das landesweite Tablet-Projekt „Niemand soll alleine sterben. Digitale Sterbebegleitung in Zeiten der Corona-Pandemie“ mit dem Ziel, schwerstkranken Menschen letzte Kontakte nach außen zu ermöglichen. Das Projekt muss dabei als Angebotserweiterung in der stationären wie der ambulanten Hospiz- und Palliativversorgung in Schleswig-Holstein verstanden werden, denn digitaler Kontakt kann persönliche Nähe niemals vollständig ersetzen – und auch keine Hand, die hält. Aber: „Digitaler Kontakt ist besser als gar kein Kontakt“, sagt Roland Repp, Initiator des Projekts, Vorsitzender des Landesverbands und Leiter der 2. Medizinischen Klinik am Städtischen Krankenhaus in Kiel. „Wir mussten handeln“, betont Roland Repp. „Das ‚einsame Sterben‘ ist für alle Beteiligten eine enorm belastende Situation. Und wir sprechen glücklicherweise nur über einen sehr kleinen Teil von an Covid-19-Erkrankten.“

Auch, wenn aktuell das engste Umfeld schwerstkranker und sterbender Menschen weiter Zugang zu den Einrichtungen hat, so bleibt dies doch ein relativ feststehender und kleiner Personenkreis. Und niemand weiß, wie sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird, sollten die Infektionszahlen mit Covid-19 weiter erheblich steigen. „Über das Tablet kann so auch der entfernt lebende Enkel in Berlin erreicht werden, eine ehemalige Kollegin oder ein alter Freund aus Kindertagen, für die ein Hospizbesuch aus verschiedenen Gründen einfach nicht möglich ist. Das macht vieles in der letzten Kommunikation leichter“, so Roland Repp.

Claudia Ohlsen, Geschäftsführerin der Landeskoordinierungsstelle Hospiz- und Palliativarbeit, verweist vor allem auf die psychosoziale Seite des Projekts: „Für uns war klar, dass wir auch in Zeiten von Corona als Gesellschaft unsere Menschlichkeit und Solidarität Sterbenden gegenüber nicht verlieren dürfen. Ein Sterben in Würde zu ermöglichen bedeutet aber auch, dass wir den sozialen Tod vor dem tatsächlichen Tod verhindern müssen“. Zugangsbeschränkungen und Isolation haben viele schwerstkranke Menschen und deren Umfeld vor allem während der Zeit des sogenannten ersten Lockdowns vor Herausforderungen gestellt, die man sich kaum vorstellen mag.

Die Handhabung der Tablets ist schnell und unkompliziert: der HPVSH entwickelte in enger Zusammenarbeit mit ehrenamtlich Tätigen IT-Experten aus dem Umfeld des Instituts für Informatik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eine einfache Lösung, die auch noch weiter angepasst werden soll: „Aktuell sind wir im Gespräch mit einem Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, das eine App entwickelt, mit der die Bedienung der Tablets für Schwerstkranke über eine ‚Ein-Knopf-Lösung‘ noch leichter möglich sein wird. Dann gehen die Geräte quasi an, wenn man sie hochhebt und wieder aus, wenn man sie hinlegt“, so Claudia Ohlsen.

Bereits seit langem setzen sich die Sparkassen partnerschaftlich für die Arbeit der Hospiz- und Palliativversorger im Land ein. Als Gyde Opitz, Leiterin Kommunikation und Gesellschaftliches Engagement im Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein (SGVSH), von dem Projekt ‚Niemand soll alleine sterben‘ hörte, bot sie spontan finanzielle Unterstützung an, um auch die Hospize im Land mit digitaler Infrastruktur auszustatten: „Wir haben aus der aktuellen Situation heraus schnell reagiert und eine Förderung des Projekts aus dem Zweckertrag der Lotterie Los-Sparen zugesagt. Wenn wir es auch ‚nur‘ mit einem Teil-Lockdown zu tun haben, sind die Auswirkungen in den Hospizen wieder erheblich. Von den Kontaktbeschränkungen sind Menschen in Hospizen, die Nähe und Zuwendung dringend brauchen, in besonderer Weise betroffen. Daher unterstützen wir die vom Hospiz- und Palliativverband entwickelten Angebote zur digitalen Sterbebegleitung aus tiefer Überzeugung und sehr gerne“.

 Für Torben Dethof, Filialdirektor der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg in Geesthacht, ist das Engagement für die Tablet-Aktion des HPVSH ebenfalls eine Herzensangelegenheit: „Die Sparkassen in Schleswig-Holstein mussten nicht lange darüber nachdenken, ob sie dieses Projekt unterstützen wollen, denn sie sind auch in der Corona-Krise ein verlässlicher Partner für die Menschen vor Ort. Kontakte zu anderen Personen müssen momentan auf ein Minimum reduziert werden – das ist wichtig, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen. Allerdings sind davon auch viele Menschen negativ betroffen, die Nähe und Zuwendung gerade dringend brauchen. Schwerkranken Menschen ihren letzten Weg so aushaltbar wie möglich zu gestalten, ist uns ein wichtiges Anliegen. Deswegen freut es uns sehr, dass der Hospiz- und Palliativverband Lösungen zur digitalen Sterbebegleitung entwickelt hat und dass wir diese mit Mitteln aus dem Zweckertrag der Lotterie Los-Sparen unterstützen können“.

Manuela Glaubach-Gruse, Einrichtungsleiterin des auxilium Hospizes, sieht den Wunsch nach Nähe und Geborgenheit gerade in der letzten Phase des Lebens als zentral an – aktuell sei dies jedoch immens erschwert: „Durch die Corona-Pandemie wurden die Besuche in Pflegeheimen und anfangs auch in Hospizeinrichtungen sehr stark eingeschränkt. Die Hospize wurden von den starken Beschränkungen dann aber aus sozial-ethischen Gründen befreit. Dies ist dem Einsatz des HPVSH zu verdanken, der sich sofort darum gekümmert hat, als ein lauter Aufschrei durch die schleswig-holsteinische Hospizlandschaft ging, dass wir so nicht arbeiten können und wollen. Dennoch haben wir als Hospize immer die Sorge, auch für unser Personal, dass das Virus in die Einrichtungen eingetragen wird. Deshalb hat das auxilium Hospiz die Kontakte auf die engsten Familienmitglieder beschränkt. Als die Nachricht kam, dass wir von den Sparkassen zehn Tablets gespendet bekommen, haben wir uns einfach riesig gefreut. Das ist für unsere Gäste und deren Umfeld eine gute Perspektive, den Kontakt nach außen zu halten. Dafür bedanken wir uns von Herzen.“

 

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